Dienstag, Oktober 31, 2006

#5 - Debriefing

"Nimmst du noch einen Kaffee, Schatz?" hat sie mich gefragt, und genau dann ist es mir eingefallen: Das Debriefing von Projekt 2. Es gab gar kein Debriefing vom Projekt 2! Das wichtigste überhaupt am ganzen letzten Semesterprojekt wurde nicht durchgeführt! Und schuld daran bin ich. Es ging einfach unter, es war zu hektisch zum Schluss, es war... nein. Ich darf keine Ausreden suchen. Ich habe das Debriefing vergessen, und dazu muss ich stehen. "Nimmst du noch einen Kaffee, Schatz?" Mich murmelnd entschuldigend stürme ich aus dem Zimmer. Es ist noch Zeit, vorzubereiten.

Gerade heute. Sprache umstellen auf Englisch, zwei Englischlehrer und zwei dieser Softwareheinis im Raum. Vieleicht noch ein Keynote-Speaker von... oh Gott! Endlich auf der Autobahn rufe ich dort an. Ob das Meeting verschoben werden könne, jaja, Schulleiter auch nicht da, zudem Probleme wegen dem neuen Stundenplan (das tönt immer gut). Er willigt ein, und so komme ich zumindest halb beruhigt am Institut an. Ich bleibe im Auto sitzen und starte mein Dell-Vehikel. Zwar habe ich Probleme, auf der zierlichen Tastatur mit meinen klobigen Fingern immer das richtige zu treffen, aber diese Subnotebooks sehen eben schon toll aus.

Ich öffne die Rangliste des letztjährigens Jubiläumtreffens meines Schiessvereins und kopiere die gesamte Resultattafel in ein neues Sheet. Anonymisiert sozusagen, Ha! Einigermassen willkürlich färbe ich einzelne Zellen mit rot, grün und gelb ein. Hier mal eine Zeile ganz rot, da mal nur spärlich. Bestens. Bestens für das Debriefing des letzten Projekts. Ich bin zwar sicher, dass dies kein Mensch in diesem Raum interessiert, aber das muss einfach sein.

Nach kurzem Nachkämmen auf der Dozententoilette tauche ich 5 Minuten zu früh im Unterrichtsraum auf. Nur nichts anmerken lassen denke ich, und grinse süffisant. Hallo? Hat der Typ da in der zweiten Reihe unser System nicht begriffen? Was bildet sich der Typ ein, das letzte Projekt nicht zu bestehen und trotzden hier aufzutauchen? Die Jugend von heute wird immer dreister. Bevor ich eine Bemerkung machen kann, merke ich, dass es an der Zeit zu sein scheint, und dass alle mich anstarren. Na gut, denke ich. Nehmt, Geier!

Ich schliesse meine Subnotebook am Beamer an und räuspere mich. Kündige an, dass noch kurz ein Debriefung zu machen sei, und zwar in Deutsch, und es gehe nicht lange, aber es sei wichtig. Zeige das Excel-Sheet auf 65% Grösse. Sogar in der ersten Reihe sieht kein Mensch was, bestens. Rote, grüne und gelbe Flecken, weisse Stellen. Und was dann passiert, bin ich mir zwar gewohnt, aber es erstaunt mich doch immer wieder. Aus meinem Mund kommen Wörter, welche zu einigermassen korrekt geformten Sätzen zusammengesetzt werden. Ich kann mich aber meist nur an die Wörter erinnern. Etwa so:

"Guten Morgen .......... Debriefing ....... ........ Projekt 2.. ....... Drop out-Rate von 4.7% ...... Engagement ..... Commitment ................ Einhovenformel greift. ............. .......... ............. Ausreisser, die das System ausnützen. .......... ........... FAILED to PASSED. Die Gausskurve, welche über die Noten geleget wurde, bewirkt ............. WebCorp ............ Streuung ist riesig. Lessons learned: zeigen Sie früh einen funktionstüchtigen Prototypen ........... .......... .... in der Gebrauchssituation einsetzen .......... .............. die Sicht des Users, Chef .......... ............. Helft mir, Studenten, mit der Bologna-Reform ist nichts mehr gesetzt hier! .............. ..................... ............ .............. ........... .............. Normalabweichung..... . Rote Farbe........ grün ......... gelb .......... weiss. Wie gesagt, Normalabweichung von 213% und ...... .......... Analyse der Selbstkompetenz .............. ........... ...... Kontakt suchen. Ich bin sehr zufrieden mit .......... ............ ............. aber es gab auch ...... ...... suboptimal. ......... zufrieden ......... ......... sehr zufrieden. Freue mich ........ ......Corp Web..... . ........... und begrüssen zu dürfen.

Wenn Sie konkrete Fragen zu ihren Noten haben, behalten Sie diese doch bitte einfach für sich. Somit möchte ich nun das Projekt 2 als beendet erklären, and now, if it's okay, I would like to switch to English. As you alrady read in one of the emails I sent last week, we're pretending to be an English speaking company!"

Mittwoch, Oktober 25, 2006

#4 - Feriencorrection

Sie werden es nicht glauben: ich habe während den Ferien einen eminent wichtigen Sieg errungen. Während ihr - pardon - faulen Säcke an den Stränden herumgelegen und später von Sangria, Caipirina und Tequila (in dieser Reihenfolge) derart sturzbetrunken lokale Discoschönheiten auf Mallorca angebaggert habt, habe ich gearbeitet. Mein jahrelanges Flehen wurde erhört: Der Projektunterricht findet ab sofort in englischer Sprache statt!
Damit ich meine Leser nachfolgend nicht overfordere, lasse ich zwischen den Zeilen neben meinen üblichen Anglizismen auch einige Translations einfliessen. Die Language of the industry, also die Big Companies, hat es jetzt finally made. Ich managte to fully convince the Schulleitung of the need to fill this Gap. Alles clear?

Ich habe in den Ferien angefangen, zu diesem Zweck mein Englisch wieder aufzufrischen. Ich habe bestimmt die Hälfte der DVDs in meinem Besitz mit englischer Tonspur angeschaut. Allerdings, um den Anfang nicht zu schwierig zu gestalten, mit deutschen Untertiteln. Sonst hat sich nicht viel getan. Prüfungen zu korrigieren ist einfach nicht mein Ding. Jakob hatte kurz vor den Ferien zudem vorgeschlagen, dass jeder Dozent eine andere Aufgabe der Modulschlussprüfung korrigieren soll, als diejenige, die er selbst gestellt hat. Da die anderen beiden begeistert zugestimmt hatten, konnte ich nicht einfach nein sagen. Und welche Aufgabe hab ich erwischt? Die Visualisierungsaufgabe.

Die Lösungen bestehen zum grössten Teil aus einer Art Organigramm, also beschriftete Kästchen, welche mit Pfeilen imiteinander in Verbindung gebracht wurden. Zum Teil durchgezogen, zum Teil gestrichelt. Vergleiche zwischen zwei Diagrammen. Verbale Verschnitte von Leuten, welche erst gerade der Halbwüchsigkeit entsprungen sind. Jakob nannte es UML. Das sind die Augenblicke, welche mich ankotzen! Auf jeden Fall bin ich noch nicht ganz fertig mit korrigieren. Den andern habe ich gesagt, ich sei krank. Mit ein Grund, warum ich nicht in Mallorca war, keinen Sangria, keine Caipirinas und Tequilas getrunken habe und auch nicht getanzt habe. Sogar in den Ü50-Discos wäre was los da.

Der Kick-off für das nächste Projekt wurde also auch verschoben. Um eine Woche. Ich habe meine Frau schon vorgewarnt, das gäbe ein langes Wochenende für mich. Aber das ist sie sich ja gewohnt.

Sonntag, Oktober 08, 2006

#3 - Mittag

Ein Mittagessen ist ein Projekt, eindeutig. Viele Leute verstehen das nicht: Klarer Anfangszeitpunkt, eindeutiges Ende, festgelegtes Budget. Traktandenliste: Vorspeise (optional), Haupstspeise, Dessert (wieder optional). Begleitender Task: Getränk. Und ein Weizen ist genau das, was ich nach diesem Gespräch mit dem Schulleiter brauche. Meine Ansichten über Projektunterricht seien zu revolutionär (da hat er vieleicht nicht unrecht, ich bin meiner Zeit halt einfach ein wenig voraus). Er könne mir dieses Budget nicht gewähren und auch die verlangte Arbeitsstundenanzahl von 180 Stunden pro Student und Semster sei ausserhalb des möglichen Bereichs. Das wird sich bei der GV zeigen.

Das Fleisch schmeckt... naja, es pökelet, wie ich sage. Nicht nur, dass die Hauptspeise 3.8 Minuten hinter der Planung liegt, nein, es machen sich Qualitätsprobleme bei der Produktion bemerkbar. Die Serviertochter wird sich damit abfinden müssen, dass das Budget heute nicht überzogen werden kann. Aber ein hübsches Ding, diese Blonde. Schlank. Viel Holz vor der Hütte. Ich kann nur sagen, gute Sozialkompetenz die Kleine. An dieser Technikerschule wird einem ja schlecht von den vielen Typen.

Endlich habe ich mir eines dieser Gadgets gezogen, Sony Ericsson P910. Mit 256 MB Memory Stick, darauf hat fast ein Viertel meiner Word-Dokumente Platz! Als ich die Serviertochter mit der Rechnung aus dem Augenwinkel kommen sehe, ziehe ich das Teil schnell aus der Tasche und beginne, mit dem Miniaturstift darauf rumzutippen. "Das macht 18 Franken 20, der Herr...". Ich schaue von meinem Display auf und versuche, einen kurzen Moment lang irritiert auszusehen, lächle dann und sage: "Herr Lenz, Projektkoordinator ETH an der University of Applied Sciences in North Western of Switzerland!". Die Serviertochter grinst und meint: "Das macht 18 Franken 20, Herr Lenz". Vielleicht wird das ja mal was, denke ich, wedle lässig mit dem Zwänzgernötli und raune ihr zu, dass es so stimme. Ich glaube, sie ist dabei leicht errötet, aber vieleicht habe ich mir das eben auch nur eingebildet. Ich stehe auf und gehe.